András Kubinyi
Pápa im Mittelalter
Die mittelalterliche Geschichte Pápas ist wegen Quellenmangel sehr schwer zu be-schreiben. Besonders aus der Árpádenzeit haben wir sehr wenige Quellen. Die erste Erwähnung stammt von 1225: Darin wird der Archidiakon von Pápa erwähnt. Die meisten Archidiakonatssprengel waren mit den Komitaten identisch, Pápa war aber kein Komitatssitz, es gehörte zum Komitat Veszprém, aber das Pápaer Archidiakonat gehörte nicht zur Diözese Veszprém, sondern zur Diözese Győr (Raab). Im 13. Jahrhundert waren die Archidiakone schon Mitglieder des Domkapitels, früher wohnten sie an ihrem Archidiakonatssitz, wo es neben der Archidiakonatskirche auch eine Pfarrkirche gab. Die Pfarrkirche von Pápa war dem heiligen Stephan Protomartyr gewidmet und das bedeutet, daß sie wahrscheinlich noch zur Zeit König Stephans des Heiligen gegründet wurde. Die Pfarre von Pápa war exempt vom Diözesanbischof und war direkt dem Erzbischof von Esztergom (Gran) unterstellt. Diese exempten Pfarrkirchen waren überall in Ungarn sogenannte königliche Kapellen, die vom König neben einer königlichen curtis gegründet wurden. Die kirchliche Situation zeigt also, daß man in Pápa einerseits mit einem königlichen Hof im 11. und 12. Jahrhundert rechnen muß, andererseits kann man wegen des zu Győr gehörenden Archidiakonatssitzes vielleicht auch mit einer Verwaltungsorganisation mit dem Mittelpunkt Pápa rechnen. (Im Spätmittelalter gab es außer der Pfarrkirche, dem Franziskanerkloster und der Spitalskirche noch zwei Kirchen: eine Marien - und eine Michaeliskirche in der Stadt, wir wissen aber nicht, wo sie lagen, und welche die Archiakonatskirche war.
Diese Rekonstruktion der frühen Zeit aus den kirchlichen Verhältnissen wird auch mit einigen Urkunden untermauert. Es gab in Pápa ein „comitatus udvornicorum” des Königs. (Die „udvornici” waren die dem königlichen Hof dienenden Dienstleute). Um Pápa können wir nicht wenige solche Dörfer nachweisen, die in der Árpádenzeit mit Handwerk dem König dienten (so z.B. Schmiede, Weber, Goldschmiede, usw.). Da in Pápa auch Wochenmärkte abgehalten wurden, konnte man Pápa als eine territorial zergliederte präurbane Siedlung bezeichnen, in deren Mitte ein feudales Zentrum (der Königliche Hof) und ein Wochenmarkt lag und die von Handwerkerdörfern umgeben wurde.
Zur Entwicklung der Siedlung trugen auch geographische Gründe bei. Pápa liegt an der Scheidelinie zwischen dem Bakonygebirge - wo ein königliches Waldkomitat lag - und der Ebene. Daß an dieser Linie eben Pápa Stadt wurde, kommt von einer anderen Gegebenheit. Bei Pápa fließt der Tapolca Fluss, der von Warmwasserquellen gespeist wird und so geeignet ist, daß man dort solche Mühlen baut, die auch im Winter arbeiten können. Im Gebiet der Stadt können wir schon im Mittelalter ungefähr anderthalb Dutzend Mühlen nachweisen, die teilweise Walkmühlen waren.
Pápa besaß in der frühen Zeit ein ziemlich großes Gebiet, wo mehrere Ortschaften entstanden. Die endgültige Ansiedlung der Dörfer kann man ebenso in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts legen, wie die Entstehung des einheitlichen Hörigentums aus vielen unfreien und freien bäuerlichen Elementen. Diese große soziale, wirtschaftliche und siedlungsgeschichtliche Umwälzung in der zweiten Hälfte des 13. und in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts bestimmte auch die Entwicklung von Pápa.
Der Mittelpunkt des Siedlungsgebiets blieb die Pfarrkirche mit dem Marktplatz und dem vermuteten Königshof. Dort siedelten die Könige freie „hospites” an, die einen Rat mit einem Richter und zwölf Geschworenen besaßen und im 14. Jahrhunderts eine ziemlich große Freiheit genossen. Nebenbei lagen am Tapolca -Fluss dicht nebeneinander ein Dutzend von kleinen Dörfern, alle mit ein oder zwei Mühlen. Nur wenige gehörten zur Domäne von Pápa. Einige der Dörfer wurden vom König einem Kloster geschenkt, andere hatten kleinadelige Grundherren. Es ist nicht ausgeschlossen, daß diese Herren Nachkommen der Vorsteher der -udvornici gewesen waren, denen der Aufstieg in den Adel gelang und deren Dienstgüter Erbgüter wurden. Mehrere solche Dörfer wurden alternativ selbst Pápa genannt, so Zsemlér oder Bellérszeg. Von diesen kleinadeligen Familien wurden die Herren von Zsemlér die Mächtigsten. Sieben Generationen dieser Familie kann man im 14. und im 15. Jahrhundert bis zu ihrem Aussterben in Pápa nachweisen. Sie nannten sich zuerst Zsemléri, später meist Pápai, da ihre Dörfer Zsemlér und Bellérszeg, von denen sie einen Teil an der Wende des 14. und des 15. Jahrhunderts erwarben, alternativ auch Pápa genannt wurden. Die Zsemléri-Pápai besaßen im 15. Jahrhundert schon ein Dutzend Dörfer in den angrenzenden Komitaten und wurden zum reichen Mitteladel, zu den sogenannten Vornehmem (proceres) gerechnet.
Zu der eigentlichen Domäne Pápa gehörte am Ende des 14. Jahrhunderts nur noch die „Hospes”-Siedlung Pápa mit vier Dörfern. Das grosse Gebiet der Árpádenzeitlichen „curtis” Pápa war ja schon grösstenteils verschenkt. Die Restdomäne Pápa verschenkte aber König Sigismund auch 1389 an die Familie Garai. Pápa wurde von seinen neuen Herren zwar gleich als Stadt (civitas) anerkannt, später nannte man sie aber doch meist Markt (oppidum), die Freiheit von Pápa wurde aber von den Grundherren immer mehr eingeengt. Die Garai erbauten - wahrscheinlich an der Stelle der früheren königlichen „curtis” - eine Burg in der Stadt und ihr Burggraf kontrollierte den Stadtrat. In den 1470-er Jahren scheinen die Garai die Burg und Domäne Pápa den Szapolyai verkauft zu haben, die bis 1526 Grundherren blieben. Pápa wurde Verwaltungsmittelpunkt aller Szapolyai-Domänen in Transdanubien. Die Domäne selbst wurde mit einem grossen Streubesitz vergrössert: Alle, oft mehr als 50 km weit liegenden Dörfer der Szapolyai in den Komitaten Győr, Sopron und Vas wurden Pápa unterstellt. Pápa wurde so Mittelpunkt eines Grossgrundbesitzes und eine Nebenresidenz seiner Grundherren, wo selbst der König öfters erschien. Der Palatin István Szapolyai starb 1499 in seiner Burg in Pápa.
Die Grundherren haben zwar die Freiheit der Stadtgemeinde eingeengt, dennoch förderten sie wirtschaftlich ihre Stadt. László Garai erwarb von der Königin Elisabeth 1439 für seine Bürger in Pápa die Befreiung von der Zahlung des Aussenhandelszolls. Später erhielten sie eine allgemeine Zollfreiheit. János Szapolyai (der spätere König von Ungarn, Johann I., 1526-1540) erteilte den Schneidern von Pápa ein Zunftprivileg. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es in Pápa auch andere Zünfte gab, besonders im Fall der Müller kann man es annehmen. Tatsächlich kann man ein entwickeltes Handwerk in Pápa nachweisen.
Die Garai gründeten in der Mitte des 15. Jahrhunderts ein Kloster für die Franziskaner-Observanten. Die Franziskaner gründeten am Ende des Mittelalters in Pápa eine Geisslerbruderschaft (confraternitas verberatorum), die sich von Pápa aus im ganzen Land verbreitete.
Das städtische Entwicklungsniveau wird auch dadurch gezeigt, daß mehrere Bürgersöhne an der Universität Wien studierten. Interessant ist, dass am Ende des Mittelalters viele aus Pápa stammende Kanoniker an den verschiedenen Dom-bzw. Kollegiatkapitel nachweisbar sind.
Die Einwohnerzahl der eigentlichen Stadt können wir nicht einwandfrei bestimmen. 1488 gab es in Pápa 236 Pforten (königliche Steuereinheiten). Wenn wir 5 Leute auf eine Pforte rechnen, muss es mindestens 1180 Einwohner in der Stadt gegeben haben. Da aber oft, und besonders in den Märkten, mehrere Familien unter einer „Pforte” lebten, ist es die Mindestzahl. In dieser Zahl sind die Mönche, die Priester und das Personal der grundherrlichen Verwaltung nicht inbegriffen. Wenn wir die verschiedenen Angaben für die Städte und Märkte im Spätmittelalter miteinander vergleichen, dann mußte Pápa in dieser Zeit im transdanubischen Raum gleich nach den eigentlichen Städten rangieren. Pápa war auch ein Verkehrsknotenpunkt und besaß bedeutende Jahrmärkte.
Dass Pápa sich nicht zu einer grösseren Stadt entwickeln konnte, hatte mehrere Gründe. Erstens wurde sie Privatbesitz und gehörte also nicht zu den königlichen Städten. Zweitens kam ein großer Teil des eigentlichen Stadtgebietes spätestens an der Wende des 13. und 14. Jahrhunderts in den Besitz von kleineren und grösseren Grundherren und diese Zersplitterung war für die Stadtentwicklung nicht günstig. Der größere Teil der Mühlen war in den Händen dieser kleineren Grundherren und nicht denen der Stadt, bzw. ihrer Herren. Im Dorf Pápa (Zsemlér) gab es z.B. in der ersten Hälfte des 15. Jahrhundert auch Handwerker, die natürlich eine Konkurrenz für die Bürgerschaft der Stadt Pápa bedeuteten.